Wieso Rituale wichtiger sind als Routinen

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Seid ihr schon einmal in die falsche Richtung gefahren, weil ihr mit den Gedanken ganz woanders wart? Wart ihr schon einmal unterwegs in den Keller, nur um euch dann unten zu fragen: "Was wollte ich hier nochmal?" Das passiert, wenn wir nicht ganz bei der Sache sind und der Körper zwar etwas tut, der Kopf aber gerade ganz woanders ist.




Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und das menschliche Gehirn ist so gebaut, dass wir Handlungen und Aktivitäten, die wir wiederholt ausüben, irgendwann automatisch machen und nebenher etwas anderes erledigen.


Das könnte man auch als den "Energiesparmodus" des Gehirns bezeichnen: Gewohnheiten und Routinen werden wie nebenbei erledigt und wir brauchen dafür nicht viel Denk-Energie.


Zur Arbeit fahren, den Tisch abräumen, Kleidung anziehen, Blumen gießen, die Kinder wecken, TV schauen und gleichzeitig Chips essen, spazieren gehen und gleichzeitig mit der Freundin telefonieren.


Wir sind oft ganz stolz darauf, dass wir dieses "Multi-Tasking" so gut hinkriegen oder wir sind überzeugt, dass der Alltag ohne die vielen gleichzeitigen Aktionen gar nicht zu stemmen ist.


Dabei vergessen wir auch hin und wieder etwas, denn bei so vielen Dingen, die gleichzeitig passieren, geht auch mal was unter.




ROUTINEN GEBEN HALT


Der Alltag ist für gewöhnlich geprägt von Gewohnheiten, eben alltäglichen Routinen. Routinen geben uns Halt, denn sie geben dem Tagesablauf einen Rahmen (und nebenher ermöglichen sie uns, bei langweiligen oder unangenehmen Aufgaben einfach an etwas anderes zu denken).


Ohne Routinen - auch wenn sie längst nicht immer eingehalten werden - wäre es schwieriger, den Tag zu überstehen.


Besonders Kinder halten sich unbewusst an diesen Routinen fest und können so ein Gefühl von Sicherheit und Struktur entwickeln. Es gibt eine Morgenroutine, eine "Wir kommen nach Hause"-Routine, und natürlich wäre der Abend ohne diese einigermaßen feste Struktur ein einziges Chaos.


Es gibt die Einkaufs-Routine, und der Einkaufszettel wird meist schon im Voraus dem Aufbau des Supermarkts angepasst. Es gibt eine Sport-Routine und eine Arbeitsroutine. Der Mensch funktioniert mit Routinen und Gewohnheiten, und es kann den Alltag enorm erleichtern, wenn eine gewisse Struktur quasi als feste Größe im Hintergrund besteht. Außerdem gibt es neben dem Gefühl der Sicherheit auch das der Kontrolle: "Ich kann das im Schlaf, hab das ja schon tausendmal gemacht.”




ROUTINE = NICHT GANZ BEI DER SACHE


Immer wieder aber wird eine Routine unterbrochen, von außen oder ungewollt von uns selbst. Vielleicht wird die gewohnte Strecke zur Arbeit wegen einer Baustelle umgeleitet und unser Zeitplan gerät durcheinander.


Oder der Supermarkt baut seine Regale um und wir finden plötzlich nichts mehr. Es sind Ferien und die Schlafroutine purzelt durcheinander. In solchen Momenten merken wir, wie sehr wir uns oft an den Routinen festhalten und darauf vertrauen, dass viele Dinge einfach so "laufen" wie gewohnt und dass wir unser Leben irgendwie unter Kontrolle haben.


Und noch etwas kann schwierig werden: wenn etwas routiniert abläuft, dann sind wir nicht bei der Sache. Wir sind wie im Autopilot unterwegs, denn unser Gehirn weiß ja, was zu tun ist, und wir schweifen gedanklich ab. Dann fahren wir also gerne mal in die falsche Richtung, wir hören nicht richtig zu oder wir bemerken nicht, wenn etwas oder jemand gerade eigentlich unsere ungeteilte Aufmerksamkeit bräuchte. Wir sind einfach nicht bei der Sache, sondern ganz in Gedanken.


Eine Routine kann schnell zum Selbstläufer werden: Es ist eine meist automatische Handlung, geboren aus einer Entscheidung oder Anpassung... und dann weiterentwickelt zu einer Gewohnheit bzw. Regel.


Im Alltag mag es immer wieder hilfreich sein, eben der "Energiesparmodus", aber wir sind einfach nicht dafür das Leben, das jetzt stattfindet - egal wie oft wir eine Aktivität schon gemacht haben.


Wir machen etwas routiniert, nebenher, ohne nachzudenken, und sind dadurch nicht wach und aufmerksam für die Gegenwart. Es mag zum Beispiel Routine sein, morgens nach dem Aufwachen das Handy anzustellen und sich auf den neuesten Stand zu bringen: Was ist passiert in der Welt? Wer hat mir geschrieben? Wie wird das Wetter?


Und sobald sich die äußeren Umstände ändern, fällt es oft schwer, Routinen einzuhalten, und Diskussionen und Frustration sind vorprogrammiert. Wir fallen aus unserem Rahmen heraus und finden uns ohne Halt wieder. Kennst Du dieses verlorene Zeitgefühl im Urlaub oder wenn ein Feiertag auf einen Mittwoch fällt?




UND WAS SIND RITUALE?


Ein Ritual hingegen ist ein ganz bewusstes Aus- und Durchführen einer Handlung, die es ebenfalls ermöglicht, dem Leben einen festen Rahmen zu geben - allerdings unabhängig von der Saison oder äußerlichen Gegebenheiten.


Ein Ritual kommt von innen und wird durchgeführt, weil es eine nährende und sinn- gebende Bedeutung hat. Es ist eine selbstgewählte und ganz individuelle Vorliebe, die aus dem tiefen Gefühl entstanden ist:


“Ja, das tut mir gut.” Dadurch kann eine Atmosphäre der Geborgenheit entstehen. Andere Qualitäten hier können Genuss sein, Dankbarkeit oder liebevolle Zuwendung.





UNTERSCHIED RITUALE UND ROUTINEN


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Der Unterschied zu Routinen liegt in der Qualität der Intention und der Präsenz.


Rituale machen wir nicht nebenher oder aus Gewohnheit, ganz gleich wie oft wir sie schon durchgeführt haben. Wir sprechen davon, Rituale zu zelebrieren und sie zu genießen, sich Zeit dafür zu nehmen und die Erfahrung ganz auszuschöpfen, und zwar jedes einzelne Mal.


Natürlich unterliegen auch Rituale Veränderungen, aber diese sind stets bewusst gewählt und den aktuellen Bedürfnissen angepasst.


Ein Ritual ist etwas, was wir uns selbst aussuchen - das muss auch keiner wissen oder befürworten, um uns unseren eigenen Tag und darin ganz bestimmte Momente und Handlungen bewusster zu gestalten.


Es ist eine selbst gewählte Struktur, die einen einzigen Zweck hat: sie ganz zu erleben. Während Routinen eine rein mentale Verankerung haben und mehr oder weniger im Unterbewusstsein des Gehirns ablaufen, sind Rituale ein Erlebnis, an welchem der ganze Körper beteiligt ist.


Ein vietnamesischer Mönch und Achtsamkeitslehrer, hat den Alltag mit vielen verschiedenen Achtsamkeit Ritualen verknüpft, um auch die einfachsten Handlungen ganz bewusst und in Verbindung mit sich und mit der Welt durchzuführen.


Seine sogenannten "Gathas" beziehen sich beispielsweise auf Atmen, Essen servieren, in den Spiegel schauen, die Hände waschen, jemanden begrüßen, das Licht anschalten, mit jemandem telefonieren etc. So kann jede gewöhnliche Handlung eine ganz bewusste Beziehung haben.




DIE KRAFT DER RITUALE


Rituale sind unabhängig von Zeit oder gegenwärtigen Umständen. Hier gibt es auch kein Limit oder ein "richtig" oder "falsch". Es sind ganz individuelle Momente der Wachheit und Bewusstheit, die einen immer wieder auf die Gegenwart einstimmen können und zurückholen zu dem, was wirklich wichtig ist: das Leben, so wie es jetzt gerade stattfindet.


Und da ist es ganz egal, ob es Sonntag, Montag oder der Reisetag am Urlaubsbeginn ist. Wir werden nicht immer alle Rituale durchführen können und die Anordnung oder Durchführung mag variieren. Sie können jedoch eine Art roter Faden sein, der uns durch den Tag trägt und uns immer wieder mit dem Körper und mit dem Leben, wie es jetzt gerade stattfindet, verbindet.




EINIGE IDEEN FÜR RITUALE IM EIGENEN ALLTAG


MORGENRITUALE


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Einen neuen Tag zu beginnen, kann zu einem ganz wunderschönen Ritual werden. Erst einmal bei sich, im Körper und in seiner eigenen Welt ankommen, anstatt aus Gewohnheit das Handy anzumachen und direkt im Außen zu sein. Ein paar Beispiele für Elemente eines Morgenrituale:


  • die Sinne erwecken direkt nach dem Aufwachen das Bett Das warme und weiche Bettzeug und die Matratze spüren, hören bewusst ein- und ausatmen, die Augen öffnen
  • ein Glas Zitronenwasser trinken
  • in den Spiegel schauen und sich selbst begrüßen Yoga, Tai-Chi oder andere Dehnübungen ausführen und den Körper weicher werden lassen
  • Meditation am Morgen



ESSENSRITUALE


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  • Sich vor Beginn des Essens den gefüllten Teller/die Schüssel ansehen und sich bewusst machen, wer und was alles notwendig war, um dieses Essen zuzubereiten (Lieferketten Anbau von Waren, Erntehelfer, Supermarktangestellte Herd und Elektrizität, Gewürze und deren Herkunft etc), gerne mit einem Gefühl von Dankbarkeit verbinden
  • Den ersten Bissen einer Mahlzeit und den ersten Schluck eines Smoothies wirklich schmecken, riechen, die Textur spüren, genießen.




AUTO FAHREN


Ehe der Motor angelassen wird, drei bewusste Atemzüge nehmen und sich mit dem gegenwärtigen Moment verbinden, das Ziel vor Augen haben, sich evtl. vorzunehmen, mit Wachheit und Sorgfalt nun Teil des Straßenverkehrs zu sein.





KÖRPERPFLGE RITUALE


  • Den Körper nach dem Bad oder der Dusche eincremen
  • Abschmink- und Hautpflege Ritual am Ende des Tages




BEENDIGUNG DES TAGES


Wie der Tagesbeginn, so ist auch das Ende eines Tages eine schöne Gelegenheit, um ein Ritual einzuführen, z.B:


  • Dankbarkeitsübung: Für welche drei oder fünf Dinge bin ich heute dankbar?
  • Verbindung: Welche Begegnung mit Natur, Mensch oder Tier hat mich heute berührt und warum?
  • Und ganz wichtig: “don't miss the magic moment" wenn Du Dich am Ende des Tages ins Bett legen, die weiche Matratze spüren und die Bettdecke ans Kinn ziehen kannst.




FAZIT


Wir Menschen brauchen eine Struktur, einen Rahmen, der es uns ermöglicht, uns immer wieder auch anzulehnen. Routinen entstehen wie beiläufig aus der Art und Weise, wie unser Leben und unser Alltag aufgebaut sind und was sich so in den Alltag schleicht.


Das ist hilfreich! Die Natur der Routinen aber ist es, dass sie wie nebenher und vielfach unterbewusst ablaufen und somit auch offen sind für Fehler, für Missgeschicke und - als wichtigstes Manko - nicht auf die Wandelbarkeit von Ereignissen eingehen können Das Leben ist keine Routine und kann nicht durchgeplant und kontrolliert werden, somit wirft es uns immer wieder aus der Kurve und aus der Routine heraus, was wiederum Stress und inneren Widerstand bedeutet, wenn wir uns zu sehr an diesem Rahmen festhalten, wie es normalerweise" sein sollte.


Wenn Routinen sich verändern oder nur schwer einzuhalten sind, sind es die Rituale, die den roten Faden weiterhin sichtbar machen. Rituale sind eine ganz und gar bewusste Art Alltägliche Handlungen zu einem Ereignis zu machen, sich der Vorfreude und dem Genuss zu widmen und mit allen Sinnen bei der Sache - und damit voll im gegenwärtigen Moment - zu sein Rituale geben dem Leben auch eine Struktur und einen Rahmen, doch ist es hier ein innerer Halt, selbstgewählt und mit Bedacht ausgeführt; geprägt von einer Qualität von Präsenz und Sinnhaftigkeit.


Welche Rituale möchtet ihr in eurem Leben integrieren?






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ANNIE

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